Dalai Lama („Priester-Ozean“), ursprünglich mongolische, dann in allgemeinen Gebrauch gekommene Bezeichnung des obersten Priesters aller Buddhisten in China und den Nebenländern sowie der Buddhisten auf russischem Territorium. Nach einer in Tibet im 15. Jahrh. n. Chr. aufgekommenen Anschauung setzt in ihm der Buddha, der Stifter des ((Buddhismus)) (s. d.), sein Erlöserwerk fort und wird stets in ihm wiedergeboren; seit dem 17. Jahrh. ist der D. zugleich der weltliche Herrscher von Tibet (s. d.), dessen Hauptstadt Lhassa auch der Sitz des D. ist. Seit 1746 sicherten sich die Chinesen größere Gewalt in Tibet und über den D. Nach den Buddhisten findet die Wiedergeburt des Buddha als Kind statt; nach dem Ableben des D. erfolgt unter den tibetischen Kindern ein Suchen nach der neuen Buddhaverkörperung. Die chinesische Regierung hat Sorge getragen, daß nur ein Kind aus einer ihr ergebenen Familie als neuer D. anerkannt werde; die gröbsten Betrügereien kommen dabei vor. Als Regent ist der D. lediglich Puppe, die Regierung wird thatsächlich von chinesischen Mandarinen geführt. Der tibetische Titel des D. lautet Gyal-va-rin-po-tsche (der „Allerhöchste, Kostbarste“). Mit dem Papste darf er nicht verglichen werden; er ist von demselben unterschieden nicht bloß durch den Umstand, daß er als eine Verkörperung der Gottheit gedacht wird, sondern auch darin, daß gleichzeitig mehrere ihm ähnliche Verkörperungen existieren, von denen besonders der in Europa unter dem Namen Tescho Lama oder Bogdo Lama bekannte eine der seinen ziemlich analoge Gewalt ausübt, und daß er über die Priester nicht im entferntesten eine so allgemeine Gewalt besitzt wie der Papst. Vgl. Koppen, Die Religion des Buddha, Bd. 2 (Berl. 1859); E. Schlagintweit, Buddhism in Tibet (Leipz. 1863); Fr. Mayers, Illustrations of the Lamaist system in Tibet, drawn from Chinese sources (im „Journal of the Royal Asiatic Society“, neue Serie, Bd. 4).