Ost-Indien

Meyers Ost-Indien
Ost-Indien

Karte: Maßstab 1:12,000,000.

Unmittelbare Britische Besitzungen. Tributäre Staaten und Gebiete. Unabhängige Staaten Nepal u. Bhutan. Port.-Portugiesische Fr.-Französische Besitzungen. Dampferlinien, die Fahrzeit ist in Tagen angegeben.

Politische Ãœbersicht. Die acht Provinzen (mit zugeteilten Tributärstaaten). Präsidentschaft Madras. Präsidentschaft Bombay. Unter dem Gouverneur Gen. direct. Unter einheimischen Fürsten.

Ostindien (hierzu Karte „Ostindien“), im weitern Sinn die beiden Halbinseln Vorder- und Hinterindien mit den Inseln des Indischen Ozeans, von den Lakadiven bis zu den Philippinen; im engern Sinn Bezeichnung für das Britisch-indische Kaiserreich, häufig auch kurz Indien genannt. Auf dieses letztere beziehen sich allein die nachstehenden Ausführungen; die übrigen Teile des weitern O. sind in besondern Artikeln behandelt (s. Niederländisch-Indien, Siam, Malakka, Kambodscha, Anam, Kotschinchina etc.).

Lage, Bodengestalt und Bewässerung.

Das britisch-indische Kaiserreich begreift ganz Vorderindien und den westlichen Teil von Hinterindien; es erstreckt sich von 8 bis 37° nördl. Br. und seit Einverleibung des Königreichs Birma von 66° 44′ bis 100° 40′ östl. L. v. Gr. Es wird im N. begrenzt durch den Himalaja, im W. scheiden das Suliman- und das Brahuigebirge das Land von Afghanistan und Belutschistan, im Osten eine direkt von N. nach S. laufende Kette von Siam ab; im übrigen wird es vom Arabischen Meer, vom Indischen Ozean und der Bai von Bengalen umspült. In dieser Ausdehnung hat O. ein Areal von 4,253,750 qkm (77,252 QM.), was zwei Fünftel der Gesamtfläche Europas übersteigt. Nicht eingerechnet sind dabei die französischen Besitzungen (508 qkm) sowie die portugiesischen (3355 qkm) in Vorderindien, das sonst ganz in britischen Händen ist; von Hinterindien gehören England dagegen nur Manipur, die Provinz Britisch-Birma und das 1886 annektierte Königreich Birma. Die horizontale Gliederung ist eine sehr einförmige. Im NW. dringt der flache Golf von Katsch tief ein und trennt mit dem Sumpf Ran die Insel Katsch vom Festland; darauf bildet der enge und verschlammte Golf von Cambay mit den beiden genannten die Halbinsel Kathiawar. Die 1650 km lange Strecke bis zum Kap Comorin an der Südspitze der Halbinsel (zuerst Konkan-, dann Malabarküste genannt) verläuft ohne einen bedeutendern Vorsprung oder Einschnitt. Im südlichsten Teil ziehen sich Strandseen hinter schmalen Nehrungen hin. Gute Häfen gibt es wenige. Karatschi wurde erst mit großen Kosten zu einem Hafen geschaffen und ist mühsam zu erhalten.

Dann folgen Mandawi, Diu, Gogo und Bhawnagar, Barotsch, Surate, Daman, die alle Bombay weit überflügelt, dessen vortreffliche Reede freilich noch mancherlei Einrichtungen für den Schiffsverkehr bedarf; dann Pandschim, Karwar, Kananor, Mahi, Beypur und Kotschin. An der Südspitze der Halbinsel bildet bei der Ramnarspitze die Insel Rameswaram den indischen Pfeiler der nach Ceylon hinüberführenden Adamsbrücke, welche den Golf von Manaar von der Palksstraße trennt. Die Ostküste der Halbinsel heißt zuerst Koromandelküste; sie ist in ihrer südlichen Hälfte mit Seen förmlich besäet (darunter der bedeutende Tschilkasee), zahlreiche Lagunen ziehen sich hinter dem niedrigen Küstensaum hin. Die einzigen vorspringenden Punkte sind die Deltabildungen der Flüsse. Die Koromandelküste besitzt nur offene Reeden; nennenswert sind Negapatam, Trankebar, Ponditscherri und vor allen Madras, trotz seiner unvorteilhaften Lage der dritte Hafen Indiens; dann folgen Kakinada und Kalkutta, 128 km vom Meer am Hugli, das nur Bombay nachsteht.

Die hinterindische Küste ist weit besser gegliedert. Der Küste von Arakan ist eine Anzahl größerer Inseln vorgelagert; die Andamanen bilden die Fortsetzung der bei Kap Negrais ins Meer tauchenden Gebirgskette; östlich vom Irawadidelta dringt der Golf von Martaban ins Land, und die Küste von Tenasserim begleitet der Mergui-Archipel. Häfen sind hier: Mergui, Tavoy, Maulmain, Rangun, Bassein, Akyab und Tschittagong. Viel mannigfacher als die horizontale ist die vertikale Gliederung Ostindiens. Man kann in Vorderindien fünf Gebiete unterscheiden, zu denen als sechstes das hinterindische hinzutritt. Diese sind: das Himalajagebirge mit seinen vorgelagerten Ketten, die große Ebene, die sich von den Mündungen des Indus bis zu denen des Ganges ausdehnt, die Ebenen an der Meeresküste, ein nördliches und ein südliches Plateau, endlich das hinterindische Gebiet. Den Himalaja begleiten Längsketten, welche ziemlich schroff in die sich anschließend große Ebene abfallen. Dies ist die Region, die, noch des reichsten Anbaues fähig, in klimatischer Beziehung dem Europäer am meisten zusagt, weshalb die Engländer hier ihre Gesundheitsstationen (Simla, Dardschiling u. a.) für Truppen und Beamte angelegt haben.

Am Südrand ziehen sich noch Parallelzüge von niedrigen Sandsteinhügeln hin, welche die fruchtbaren Längsthäler, die Duns, von der Ebene trennen. Der Südfuß des Himalaja ruht auf der indischen Tiefebene, die nach Bodencharakter und klimatischen Verhältnissen in zwei ganz verschiedene Teile zerfällt. Der Westen, mit dem Flußgebiet des Indus zusammenfallend, ist im wesentlichen ein Steppen- und Wüstenstrich; doch zieht sich im N. ein von zahlreichen Flußadern durchfurchter, hochkultivierter Landstrich hin. Den äußersten Nordosten nimmt dagegen das Salzgebirge ein, wo das reine Steinsalz in mächtigen Lagern auftritt. Östlich vom Indus breitet sich die nur in einzelnen Oasen bewohnte indische Wüste, der Thar, aus, deren südlichen Raum das Ran bildet, ein mächtiger, durch die Insel Katsch vom Meer getrennter Salzsumpf.

Das östliche indische Tiefland wird fast in seiner ganzen Länge durch einen wenige Kilometer breiten Streifen sumpfiger Waldlandschaft vom Gebirge getrennt, das Tarai. Hart daran stößt die große Ebene von Hindostan, die, soweit der Einfluß des fließenden Wassers reicht, von unerschöpflicher Fruchtbarkeit, leider aber äußerst ungesund ist. Am Rande des Gangesdelta bilden die Sanderbands ein Gewirr zahlloser entstehender und vergehender Inseln voll dichten Urwaldes. Das vorderindische Hochland, welches den größern Teil der Halbinsel umfaßt, ist eine ringsum isolierte Bergmasse. Gewöhnlich wird es als Dekhan bezeichnet, doch beginnt dies eigentlich erst beim Durchbruch der Tapti im W. Dort erheben sich steil die Westghats, eine Reihe in der Richtung des Meridians aneinander gesetzter Ketten, die, im Mittel bis 1500 m hoch, nur im S. höher aufsteigen, wo die Nilgiri den Abschluß bilden und sich bis 2546 m erheben. Hier sind die Gesundheitsstationen Mahabaleschwar und Puna. Die östliche Küstenebene wird begrenzt durch die Ostghats. Zwischen beiden Ghats breitet sich eine große, 600-700 m hohe, größtenteils trockne und steppenartige Plateaumasse aus.

Das nördliche zentralindische Plateau beginnt im S. mit dem Satpuragebirge; im W. ist die waldreiche Hochebene durch die schmale und steile Arawalikette begrenzt, die zugleich das Bollwerk gegen den Sand der indischen Wüste bildet; an der Nordseite des Thals der Narbada zieht sich die langgestreckte Windhyakette hin. Die Ebenen an der Meeresküste, im Osten der Halbinsel viel breiter als im W., sind wohlbewässert und haben eine üppige Vegetation; zwischen Kap Comorin im S. und der Godaweri im N. sind sie durch ihre Reisernten die Kornkammer Indiens. Hier treten regelmäßig die Monsune auf; die Bai von Bengalen und ihre Uferländer sind von Drehstürmen (Cyklonen) stark heimgesucht. Der in Hinterindien gelegene Teil des britisch-indischen Reichs hat ganz den Charakter dieser Halbinsel. Von N. nach S. ziehende Gebirgsketten trennen das Land in breite, fruchtbare Thäler, durch welche große Flüsse zum Meer eilen.

Die Hauptgewässer Ostindiens entspringen im Himalaja. Es sind dies der Ganges mit dem Brahmaputra und der Indus, welche, die mächtigen nördlichen Gebirgskette durchbrechend, mit zahlreichen Nebenflüssen die großen Tiefebenen durchziehen, die nach ihnen benannt werden. Während sie aber außerhalb Indiens ihren Ursprung nehmen, haben sämtliche andre Flüsse ihre Quellen innerhalb des Landes. Das nördliche Plateau wird entwässert durch die Flüsse Subarmati (Sabarmati), Mahi, Narbada und Tapti, die sämtlich gegen W. ablaufen, die Mahanadi und Godaweri, welche in den Bengalischen Meerbusen münden. Dahin ziehen auch die Flüsse des Dekhan, wie Kistna, Pennar und Kaweri.

Die kurzen Küstenflüsse der Westküste stürzen über die Westghats in jähem Lauf zur schmalen Randebene. Als Wasserstraßen sind nur Ganges, Brahmaputra, Indus und Irawadi von Wert; auf die Schiffbarmachung der Godaweri wurden nahezu 1½ Mill. Pfd. Sterl. vergebens verwandt. Von den Flüssen Südindiens ist keiner schiffbar; doch sind die meisten von vielen Flüssen ausgehenden Bewässerungskanäle so angelegt, daß sie zugleich der Schiffahrt dienen können. An Seen ist das Land äußerst arm. Der größte ist der 891 qkm (16 QM.) umfassende Tschilkasee in Orissa, der nächst größte der Salzsee Sambhar in Radschputana; in Kaschmir liegt der 260 qkm (5 QM.) große Wularsee. Durch Querdämme in Thälern hat man zumeist in Südindien große künstliche Seen hergestellt, darunter den 30 qkm großen Radschnagarteich.

Klima und Naturprodukte.

Das Klima Indiens ist, wenn man von dem hohen Gebirgswall des Himalaja absieht, eins der heißesten der Erde. Die mittlere Temperatur ist natürlich am höchsten im S., die höchsten Temperaturgrade überhaupt kommen aber im trocknen Nordwesten vor. Auf die Gesundheit der Bewohner wirken die klimatischen Einflüsse periodisch im höchsten Grad verderblich ein. Das Ausbleiben der Regen zu rechter Zeit hat wiederholt Hungersnöte zur Folge gehabt, welche große Strecken Indiens heimsuchten und Millionen von Menschen hinrafften. Cyklone vernichteten durch die über die flache Küste getriebenen Meeresfluten wiederholt die Ortschaften ganzer Gegenden mit ihren Bewohnern, während Cholera und Fieber fast unaufhörlich das Menschenmaterial Indiens schwächen. Für Europäer ist ein längerer Aufenthalt nur unter Beobachtung größter Vorsicht möglich; europäische Kinder aber müssen schon früh in ein kühleres Klima geschickt werden. Die Errichtung zahlreicher Gesundheitsstationen im Himalaja und in den Nilgiri hat sich namentlich für die europäischen Soldaten sehr wohlthätig erwiesen.

Der Mineralreichtum Indiens ist ein sehr bedeutender, doch hat sich seine Ausbeutung bisher nicht als sehr nutzbringend erwiesen. Goldseifen existieren seit undenklichen Zeiten an vielen Orten, lohnen aber kaum die Arbeit; auch die in Südindien im Wainad (Nilgiri) und in Kolar (Maissur) durch englisches Kapital in Angriff genommenen Goldquarzminen haben noch keine Resultate ergeben. Kupfer findet sich am Südabhang des Himalaja sowie in Tschutia Nagpur (Bengalen) und Nellor (Madras), Blei im westlichen Himalaja, Zinn in sehr reichen Lagern in Britisch-Birma. Auch Antimon und Kobalt kommen vor. Ãœberall stößt man auf Lager von Eisenerzen, zuweilen von großem Reichtum und hoher Güte; doch ist das Schmelzen schwierig wegen des geringen Wertes der Kohle. Ein großes Eisenwerk wird auf Kosten der Regierung betrieben. Die Kohlenfelder liegen fast ausschließlich im Zentrum der Halbinsel zwischen Ganges und Godaweri; sie zerfallen in vier Gruppen: das Damodarthal mit den Gruben von Ranigandsch und Kaharbari, welche neun Zehntel aller indischen Kohle liefern, die Tschutia-Nagpurgruppe, das Narbada- und das Godawerithal.

Nur Kalkutta und die nördlichen Bahnen verwenden indische Kohle, Bombay und Madras beziehen ihren Bedarf von England. Salz wird aus dem Meer, aus Salzseen und aus den Gruben der Salt Range im Pandschab gewonnen. Salpeter findet sich in Fülle im obern Gangesthal; Kalkutta führt jährlich 50,000 Ton. aus. Petroleum ist vornehmlich im ehemaligen Königreich Birma, dann in Britisch-Birma, Assam und im Pandschab vorhanden. Wegen seiner Diamanten war Indien von jeher berühmt, einige der größten u. schönsten (s. Diamant, S. 932) stammen von hier; heute ist die Ausbeute eine kaum nennenswerte. An schönem Baumaterial (Marmor, Sandstein, Schiefer) ist die Halbinsel reich.

Die Flora Indiens begreift wenige ihm eigentümliche Pflanzen, ist aber sehr mannigfaltig. An den höhern Abhängen des Himalaja gewahren wir Vertreter des gemäßigten Sibirien, im westlichen Teil des Gebirges findet eine starke Beimischung europäischer Typen statt, die nach Osten zu durch chinesische ersetzt werden. An den tiefern Abhängen finden wir Gewächse, die identisch oder doch verwandt sind mit denen von Griechenland, vom Libanon, von Afghanistan; das Pandschab und Sind sind botanisch verwandt mit Arabien, den Euphratländern, Persien; Assam, Birma und die Malabarküste haben eine malaiische Flora, das westliche Indien zeigt in seinen meist offenen Waldungen Anklänge an Afrika. Der König der indischen Wälder, der für Schiffbauten unübertroffene Teakbaum, ist hauptsächlich in den Westghats zu finden; nächstdem sind wertvoll der Salbaum (Shorea robusta), die Deodorazeder, der Pun (Calophyllum elatum), eine Ebenholzart (Diospyros ebenum), das Schwarzholz (Dalbergia latifolia), Sandelholz. Früher war der Kautschukbaum in Assam sehr zahlreich, ist aber dort jetzt ganz ausgerottet. An Palmenarten (Sago-, Dattel-, Betelnußpalme u. a.) ist Indien überaus reich. Die Dschangeln des Gangesdelta bestehen zumeist aus Sandari (daher Sanderbands) und Bambus.

Die Tierwelt entbehrt gleichfalls besonderer Typen. Der früher in Hindostan und im Pandschab häufige mähnenlose Löwe ist bis auf ein Dutzend, die man in Kathiawar schont, verschwunden. Das charakteristische Raubtier Indiens ist der Königstiger, jetzt auf das Tarai, das Gangesdelta und die Dschangeln des zentralen Plateaus beschränkt; ebenso häufig und schädlich ist der Panther, dagegen wird der Tschitah (Felis jubata) zur Jagd verwandt. Andre Raubtiere sind: der Wolf (Canis pollipes), die Hyäne, der schwarze Bär (Ursus labiatus), der wilde Hund. Der Schaden, den diese Tiere anrichten, ist beträchtlich; 1885 wurden von wilden Tieren getötet 22,907 Menschen und 59,029 Stück Vieh. Dagegen wurden erlegt: 1855 Tiger, 5466 Panther, 1874 Bären, 6278 Wölfe, 2238 Hyänen, 420,044 Schlangen und dafür 22,412 Pfd. Sterl. Belohnung gezahlt. Der Elefant, wovon es zwei Arten, eine mit, die andre ohne Stoßzähne, gibt, ist namentlich in Assam anzutreffen, und der Fang dieser Tiere steht unter strenger Kontrolle der Regierung. Das einhörnige Nashorn haust in den Sanderbands und im Brahmaputrathal, das zweihörnige in Tschittagong und Birma.

Dem Landmann am schädlichen ist das wilde Schwein (Sus scrofa), in den Sandwüsten von Sind und Katsch findet sich der durch seine Schnelligkeit ausgezeichnete wilde Esel (Equus onager), wilde Schafe und Ziegen schweifen in verschiedenen Arten im Himalaja umher. Von Antilopen und Hirschen gibt es mehrere Arten. Die Rinder werden repräsentiert durch den Gaur (Bos gaurus) und den Büffel (Bubalus arni), beide gewaltige und gefährliche Tiere. Die zahlreichen Affen werden häufig zu einer ernstlichen Gefahr für den Landmann. Von den Vögeln sind namentlich die als Straßenreiniger nützlichen Geier zu nennen. Groß ist die Zahl der Schlangen, darunter die gefürchtete Cobra di Capello (Naja tripudians). In Flüssen und Sümpfen hausen zwei Krokodile (Crocodilus porosus und C. biporcatus) und der Gavial (Gavialus gangeticus). Die Gewässer sind sehr fischreich; Ganges und Indus werden von einer Walart, dem Susu (Platanista gangetica), aufgesucht, das sich darin bis zu einer Entfernung von 1500 km vom Meer findet. Unter den Insekten sind die Biene, Seidenraupe, das Lackinsekt und die oft große Verheerungen anrichtenden Heuschrecken zu nennen.

((Bevölkerung))

((Verwaltung)) und Geschichte