suedasien.info – 21. Mai 2011
Dreitausend Sicherheitsmängel
Noch im abgelegensten Dorf kennt man den französischen Kernkraftkonzern Areva – er ist mit 9,5 Milliarden Euro Jahresumsatz der weltweit größte Atomkonzern – und seinen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR). In den Bergen der Westghats, die sich südlich von Mumbai entlang der indischen Westküste erstrecken, sind Begriffe wie Radioaktivität, Plutonium und giftiger Atommüll jedem geläufig. Die atemberaubend schönen Dörfer im Hinterland von Jaitapur im Bundesstaat Maharashtra liegen innerhalb eines „Biodiversitätszentrums“, das zu den zehn wichtigsten der Welt zählt. Genau hier sollen demnächst sechs 1.650-Megawatt-Reaktoren von Areva stehen.
Die staatliche Nuclear Power Corporation of India (NPC) hat beschlossen, dass ihr französischer Partner Areva in Jaitapur die größte Atomkraftanlage der Welt errichten soll. Auch wenn das die Entwurzelung von 40.000 Menschen bedeutet, deren Lebensunterhalt auf den natürlichen Ressourcen und Produkten des Ökosystems beruht: Reis, Hirse, Linsen, Gemüse, Kräuter, Fische und Früchte, …
Wo die Pflanzenvielfalt Indiens am größten ist
Gavankar weiß zum Beispiel, dass Areva bei seinem Druckwasserreaktor in Finnland mit großen Problemen zu kämpfen hat. Dort entsteht mit Olkiluoto 3 der erste westeuropäische Reaktor seit Tschernobyl. Der Bau hat sich bereits um 42 Monate verzögert, das Budget ist schon jetzt um 90 Prozent überzogen, und die Fertigstellung wird durch einen erbitterten Rechtsstreit zwischen Areva und dem finnischen Betreiber blockiert. Ursprünglich war Olkiluoto 3 als Europas erster „nach marktwirtschaftlichen Prinzipien betriebener“ Reaktor gedacht, zum Festpreis von knapp 3 Milliarden Euro. Wer die aufgelaufenen Mehrkosten übernimmt, ist unklar. Gavankar findet skandalös, dass Indien einen Reaktortyp importiert, „der nirgendwo zugelassen ist und bei dem die Aufsichtsbehörden Finnlands, Großbritanniens, der USA und selbst Frankreichs in mehr als 3.000 Punkten Sicherheitsbedenken angemeldet haben“. …
„Jaitapur ist für das Ãœberleben von Areva entscheidend“, meint Vivek Monteiro, ein Physiker und Aktivist aus Mumbai, der sich eingehend mit der Geschichte des französischen AKW-Konzerns beschäftigt hat. „Areva steckt tief in der Krise und benötigt eine gewaltige Kapitalspritze. Wenn Jaitapur durchfällt, wird sich diese Krise weiter verschärfen. Deshalb versuchen sie die indische Regierung mit allen Mitteln dazu zu bringen, das Projekt gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen.“ …
suedasien.info – 8. Mai 2011
„India Shining“, strahlendes Indien, lautete der Slogan einer Wahlkampagne, die eine Werbeagentur 2004 im Auftrag der damals regierenden hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) kreierte. …